„Mein Vater war ein heimatloser Aramäer. Er zog nach Ägypten und lebte dort als Fremder …“ – mit diesen Worten beginnt das jüdische Glaubensbekenntnis am Fest der Erstlingsfrüchte. Der Dank für die erste Ernte ist verknüpft mit dem Dank an Gott und mit der Pflicht zur Erinnerung: die Erinnerung an Heimatlosigkeit, Rechtlosigkeit, an Ausgebeutet-werden und Not, Erinnerung an das Schreien zu Gott – und die Erfahrung: Gott hört das Schreien, sieht die Not und greift ein: Gott führt in die Freiheit!
Diese Befreiung wird jedes Jahr an Pessach gefeiert, nicht nur mit Worten und Lesungen, sondern am heutigen Seder-Abend mit einem besonderen Mahl, in dem die Speisen die harte Arbeit des Volkes Israel in Ägypten und seine Flucht durch Wüste und Meer symbolisieren.

Nicht nur das Pessach-Fest, sondern viele Gebote und Verbote im Tanach erinnern an die Heimatlosigkeit der Vorfahren und begründen so die aktuelle Verpflichtung, Fremden gegenüber gastfreundlich zu sein und ihnen Grundrechte zu sichern. Der eigene Migrationshintergrund wird zur Motivation für soziales Handeln.
An diesem Pessach-Fest denke ich besonders an alle, die nicht in der Heimat mit ihrer Familie feiern können: zuerst an die Geiseln, die seit dem 7. Oktober 2023 in der Gewalt der Hamas sind.

Ich denke auch an die vielen Heimatlosen: an alle, die teils schon seit Generationen entwurzelt sind, und an diejenigen, die aktuell im Gazastreifen schutzlos umherirren. Auch an alle, denen in unserem Rechtsstaat Rechte vorenthalten werden, um sie als „Fremde“ besser auf Abstand halten zu können.

Flucht und Vertreibung, Heimat- und Rechtlosigkeit sind brandaktuelle Themen, an die uns das Pessach-Fest erinnert – genauso wie an unsere soziale Verantwortung. Mit meiner deutschen Geschichte im Hinterkopf wünsche ich mir, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland heute ohne Angst Pessach feiern können.
Chag Pessach Sameach allen jüdischen Studierenden und Lehrenden an der Hochschule Niederrhein!
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